Georg B. und der Unterlassungseffekt
„Ich dachte, wenn ich nichts nehme, schade ich meinem Körper nicht – dass genau das der Fehler war, hab ich erst später verstanden.“

1. Was ist passiert?
Georg B. ist 62, frühpensionierter Bauleiter. Nach einem leichten Herzinfarkt stellte ihn sein Arzt auf ein Kombipräparat mit Amlodipin, Atorvastatin und Perindopril ein – ein Medikament, das gleich drei wichtige Ziele abdeckt: Blutdrucksenkung, Cholesterinkontrolle und Gefäßschutz.
Georg beginnt die Therapie gewissenhaft. Die Blutwerte verbessern sich, die Kontrolltermine werden seltener – und mit der Zeit auch seine Sorgen. Er fühlt sich gesund, stabil, leistungsfähig.
Dann kommen die Zweifel:
„Ich nehm sowieso viele Tabletten. Und bei diesem Kombipräparat weiß ich gar nicht, was was macht. Vielleicht brauch ich das ja gar nicht mehr.“
Ohne Rücksprache beginnt er zu pausieren – erst jeden zweiten Tag, dann gar nicht mehr. Einige Wochen später kehrt das Engegefühl in der Brust zurück – eine instabile Angina. Ein deutliches Warnsignal.
2. Wenn das Absetzen leichter fällt als das Dranbleiben
Georgs Fall ist typisch für einen Denkfehler, der in der Psychologie Unterlassungseffekt (auch Omission Bias) genannt wird.
Wir Menschen neigen dazu, Risiken durch aktives Tun als bedrohlicher zu empfinden als Risiken durch Unterlassen.
Heißt: Nichts zu tun fühlt sich sicherer an, selbst wenn es objektiv schädlicher ist.
Beispiele aus dem Alltag:
- Lieber nichts sagen, um keinen Streit zu riskieren – obwohl das Schweigen die Beziehung schädigt.
- Eine Bewerbung nicht abschicken, um keine Absage zu bekommen – und damit jede Chance verspielen.
- Eine Investition nicht tätigen, aus Angst vor Verlust – obwohl das Geld auf dem Konto langsam an Wert verliert.
So wie Georg denken viele:
„Wenn ich nichts nehme, passiert wenigstens nichts Schlechtes.“
Doch das ist trügerisch. Gerade Medikamente zur Sekundärprävention wirken leise, aber entscheidend. Man merkt nicht, dass sie schützen – bis sie fehlen.
3. Warum Georg seine Einstellung änderte
Sein Arzt hört zu, verurteilt nicht – und erklärt ruhig, welche Funktionen das Medikament abdeckt. Er zeigt Georg auf, dass „nichts nehmen“ eben nicht neutral ist, sondern eine aktive Entscheidung gegen Schutz.
Dann sagt er:
„Ihre Medikamente arbeiten im Hintergrund. Sie merken nichts davon – aber sie halten Ihr System stabil.“
Georg versteht: Das Weglassen war keine Schonung – es war ein Risiko.
Er beginnt die Therapie erneut – mit dem Bewusstsein, dass Gesundheit oft mehr mit Konsequenz als mit Gefühl zu tun hat.
4. Was andere Patient:innen aus Georgs Geschichte lernen können
- Nur weil Sie sich gut fühlen, heißt das nicht, dass Sie gut geschützt sind.
- Medikamente zur Vorbeugung wirken oft still – bis sie fehlen.
- Die Entscheidung, nichts zu tun, kann genauso folgenreich sein wie eine aktive Maßnahme.
Wenn Sie also denken:
„Ich nehm lieber nichts – sicher ist sicher.“
… fragen Sie sich auch:
„Was passiert, wenn ich genau dadurch den Schutz verliere, der mich gesund hält?“
Warum Georg seine Geschichte veröffentlicht hat
Georg möchte anderen zeigen, dass gerade das „Nichtstun“ oft mehr verändert, als man denkt.
„Ich dachte, ich handle vorsichtig – dabei habe ich den Fehler gemacht, nichts zu tun. Ich will anderen helfen, diesen Denkfehler rechtzeitig zu erkennen.“
Sein Ziel: Menschen sensibilisieren, wie trügerisch es sein kann, sich auf das gute Gefühl zu verlassen. Gerade bei still wirksamen Medikamenten ist der Erfolg oft unsichtbar – und wird erst spürbar, wenn er ausbleibt.
Georgs Geschichte ist ein Appell für mehr Nachfragen, mehr Verstehen und ein ehrliches Gespräch mit dem Arzt – bevor man selbst entscheidet, etwas wegzulassen, das einen schützt.
Entscheidungen wie die von Georg waren der Anlass für ein Bildmotiv, das heute in vielen Arztpraxen und Apotheken hängt.
Die Botschaft des Posters an diese Patienten lautet: „Deine Therapie ist ein Marathon – unterschätze nicht, was du aufs Spiel setzt, wenn du sie einfach abbrichst.“
Es erinnert daran, dass das Risiko des Nicht-Handelns oft unterschätzt wird – gerade wenn das Ziel noch in weiter Ferne liegt.

Georg und der Unterlassungseffekt
Eine Ursache für Georgs Entscheidung war der Unterlassungseffekt
(siehe Punkt 2).

Der Unterlassungseffekt gehört zu einer Gruppe von systematischen Fehlern beim Wahrnehmen, Urteilen und Entscheiden. Mehr über solche Fehler lesen Sie hier:
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